Gedanken zu Selbstgemachtem

Ich hab heute morgen im Kindergarten die Kleidchen von zwei Schwestern als selbstgenäht identifiziert. Weil sie einfach viel individueller waren als gekaufte Kinderkleidung. Weil sie aus den typischen Jerseys, die so in der Nähcommunity verarbeitet werden, waren. Weil sie sehr ähnlich, aber nicht 100% identisch waren. Die Verarbeitung war super, daran hab ich es nicht erkannt. Trotzdem frage ich mich seither, ob mein spontaner Kommentar: „Oh, tolle Kleider habt ihr an, die sehen aber auch sehr nach selbstgenäht aus!“ abwertend aufgefasst werden könnte. Der Vater, der die Sachen nicht genäht hat, sondern seine Frau, erklärte dann, dass seine Frau total verrückt nach Nähen sei. Ich hab dann mit Verweis auf den kl kl Menschen, der in einer viel schlechter verabeiteten selbstgenähten Jacke unterwegs war, erzählt, dass ich auch ganz viel nähe. Dass ich selber fast nur noch selbst genähte Kleidung trage. Ich hoffe, dadurch wurde deutlich, dass ich selbermachen nicht abwerte.

Selbermachen ist zwar wieder in, aber es gibt noch immer viele Personen außerhalb unserer DIY-Filterblase, bei denen hat Selbermachen einen eher negativen Touch. Und ich merke es selber, dass ich mich manchmal frage, woran erkennen andere, dass ich etwas selbst gemacht habe? Meist fragen sie erst nach einem subtilen Hinweis von mir total überrascht „Wie, DAS hast du selbst genäht?“, so dass ich das als Kompliment auffasse. Und eigentlich ist es ja auch paradox, dass wir zwar einerseits gerne Lob für unsere selbst gemachten Dinge bekommen, aber andererseits danach streben, sie so perfekt aussehen zu lassen, dass keiner bemerkt, dass sie selbst gemacht sind.

Ich bemerke auch immer häufiger, dass ich mich darüber wundere, dass andere gar nicht bemerken, dass ich das selbst gemacht habe. Denn bei allem Streben nach gutem Handwerk mache ich natürlich Fehler. Aber die sieht man eben nur, wenn man selbst dieses Handwerk beherrscht. Und nur dann kann man es wahrscheinlich auch so richtig wertschätzen.

Ich verschenke mittlerweile ziemlich häufig selbstgemachtes. Instant-Gemüsebrühe, Orangenkürbis und Seife sind so die kleinen Mitbringsel, wenn ein Baby geboren wird, näh ich meist eine Kleinigkeit. Dabei ist mir aber tatsächlich wichtig, dass es erkennbar selbstgemacht ist, damit es auch entsprechend wertgeschätzt wird. Und trotzdem hab ich dann immer die Angst, dass andere denken könnten, sie bekommen minderwertige Geschenke von mir…

Was sagt ihr, wenn ihr etwas als selbstgemacht erkennt und eure Wertschätzung darüber kundtun wollt? Wie geht ihr damit um, wenn andere eure Sachen als selbst gemacht identifizieren?

21 Gedanken zu „Gedanken zu Selbstgemachtem

  1. diese diskrepanz zwischen ich mache selbst und will aber das es so nicht aussieht, ist meiner meinung nach dem momentanen zeitgeist zuzuordnen. in einer welt die ständig rotiert und nach gewinnmaximierung strebt ist „blosses selbermachen “ ein ausdruck von zuviel freizeit und keinem rechten “ businessplan „.
    selbermachen ist was für jene die halt sonst nix gescheitets zustandebringen.
    handarbeit wird zwar wieder mehr geschätzt und doch auch angestrebt aber es soll doch immer
    hip und urban sein.also stylish in bezug auf selten und rar und deshalb angesagt.

    interessante gedanken.da grüble ich auch schon länger drüber nach.
    und ich erlebe das in meinen kursen auch immer und immer wieder.
    ein krummes und schiefes tatütata wird in den himmel gelobt aber eine etwas krummes bekleidungsteil wird gleich ein TfT.
    seltsam…

    liebe grüße
    stella

  2. Selbst in meiner DIY Filterbubble wird selbstgemacht teilweise mit Arm und „minderwertig“ assoziiert. Ich wurde beispielsweise vor gar nicht so länger Zeit als „50er Jahre Hausfrau“ betitelt. (In einem sehr abschätzigen Tonfall)
    Weil ich Flammkuchen gemacht hatte, zum Mittag.
    Wir machen fast alles selbst, also kochmäßig, und haben tatsächlich ein geringes Budget. Jedoch bin ich ein kleiner Foodie, weshalb es selbstgekocht einfach günstiger und machbar ist.
    DIY steht für mich aber auch im Zusammenhang mit Minimalismus, der nicht auf Verzicht beruht, sondern auf Wertschätzung.
    Ich bringe auch gern Selbstgemachtes mit, Kuchen in Glas, ne duftige Bodybutter, etc.
    Da wurde sich zwar immer gefreut, trotzdem habe ich jedes mal vorm Schenken den Gedanken, es könnte komisch ankommen.

  3. Mir geht es genauso. Habe ich etwas selbstgenähtes an, will ich natürlich ein Lob dafür – auf der anderen Seite will ich nicht, dass man es als „etwas Selbstgemachtes“ erkennt. Eigentlich blöd.
    Ich vermute, es kommt daher, weil Selbermachen – vor allen Dingen aber Selbernähen – bei vielen signalisiert: Fürs Kaufen reicht das Geld nicht.
    Obwohl die meisten das toll finden, dass ich mir Kleidung selbst nähe.
    Allerdings gibt es in der Tat drei Leute, die mich immer sehr herablassend von oben bis unten angucken, mein Kleid / Rock / wasauchimmer mit zusammengekniffenen Lippen zur Kenntnis nehmen, und sich dann den imaginären Staubflusen vom Logo ihres Pullis wischen.
    Ich verteile auch so gut wie keine selbstgemachten Geschenke an Nicht-DIY-ler. Es wird eh nur von denen wertgeschätzt, die sich mit dem Thema befassen. Für alle anderen ist mir – ehrlich gesagt – jede Sekunde meiner Zeit zu schade.
    LG, Sandra

  4. Hm, ein guter Denkanstoß. Individualität ist auf jeden Fall ein guter Indikator, im Selbstgemachtes oder zumindest -aufgehübschtes zu erkennen. In meinen frühen Teenie-Jahren habe ich angefangen, mehr schlecht als recht Bandshirts in Kleider, Pullis und Taschen umzuwandeln. Da war auf jeden Fall klar, dass die selbstgemacht sind, weil ich einfach noch nicht das Know-How hatte.
    Das selbstgemacht-erkennen kann aber auch in die andere Richtung gehen, finde ich! Ich erkenne sowohl die Selbstgemachten, insbesondere -genähten Sachen an diesen oben beschriebenen Indizien als auch daran, dass/wenn sie qualitativ hochwertig aussehen. Von der Einschätzung überlege ich dann, ob die Person bei Designern oder besonders hochwertigen Marken einkaufen würde, und kann dann meistens darauf schließen, ob etwas selbstgemacht ist oder nicht. (Konkretes Beispiel: eine Weile bin ich in der Bahn immer wieder jungen Menschen begegnet, die sehr gut angezogen waren und deren Klamotten ich teilweise als selbstgenäht eingestuft hätte – z.B. die Ärmel sahen sehr gut eingesetzt aus und rollten richtig schön, die Materialien sahen nicht nach H&M und Co. aus. Später hat sich rausgestellt, dass eine Modeschule in der Nähe war.)

    Ich denke nicht unbedingt, dass wir danach streben, dass etwas nicht selbstgemacht aussieht, ich denke das hat eher etwas mit dem Verbessern der Fähigkeiten und Dazulernen zu tun. Und vielleicht mit dem Unwissen der Mitmenschen, die sich nicht mit Selbermachen auskennen, wie du auch schon geschrieben hast. Und vielleicht mit dem Verlust des Gefühls/Gespürs für Qualität – eigentlich sollte „selbstgenäht“ oder „maßgeschneidert“ als Kompliment ja über „gekauft“ stehen.

  5. Schwierig!
    Ich möchte nicht, dass meine Sachen auf den ersten Blick als „selbstgemacht“ zu identifizieren sind, aber nicht weil es nicht hip ist, sondern weil ich möchte, dass meine Sachen so gut aussehen, dass das ungeschulte Auge gar nicht auf die Idee kommt, dass es selbstgemacht ist. (Wobei wir Nähnerds ja wissen, dass Kaufkleidung nicht gerade besser verarbeitet ist, als das was wir uns selbst nähen) Z.B. nähe ich mein „Label“ -wenn überhaupt- nur von innen unsichtbar in Kleidung ein.
    Auf einem der letzten Stoffmärkte habe ich Frauen gesehen, die so offensichtlich selbstgenähtes anhatten, was absolut und in keiner Weise meinem Geschmack und Stil entspricht, z.B. extrem bunt gemixtes und betüddeltes FM-Zeug für Große. Oder Sachen, bei denen ich denke, dass die Leute wie verkleidet aussehen, als ob sie ein Karnevalskostüm anhaben. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Jede nach ihrem Geschmack. Mein Geschmack ist eben anders.
    Bei den Geschenken kommt es ganz darauf an. Meist schenke ich nur denjenigen Selbstgemachtes, die das auch zu schätzen wissen.
    Auf die Idee, dass man sich für Selbermachen entscheidet, weil es billiger sein könnte, bin ich noch nie gekommen.
    Ich hab in der Krabbelgruppe meines Großen auch schon echt blöde Sprüche kassiert, dafür, dass ich einfach mal ein Tablett Muffins mitgebracht habe…“Ach, da habe ich noch eben schnell ein paar Muffins gebacken…“(superverächtlicher Ton dazudenken). Damals hat mich das gekränkt, heute weiß ich das hier Neid, Unzufriedenheit und ein geringes Selbstwertgefühl bei solchen Leuten eine große Rolle spielen. Solche Leute gehen mir aber auch sonstwo vorbei.
    Ich lebe mein Leben so wie es mir gefällt mit Selbstgemachtem oder Gekauftem (habe z.B. meinen Adventskranz letztes Jahr gekauft *pfui*), so wie es halt gerade passt und denke nicht im Traum daran mir das Eine oder das Andere schlechtreden zu lassen.

    LG Luzie

    P.S. Ich bin sicher, dass die Mädels bzw. deren Mutter Dein Lob ganz richtig einschätzen können.

  6. Hm, sehr interessant …

    Ich freue mich jedesmal, wenn eine Frage kommt, ob ich etwas selbst geschneidert habe oder einen Kuchen selbst gebacken habe – denn so ähnlich wie

    „eigentlich sollte “selbstgenäht” oder “maßgeschneidert” als Kompliment ja über “gekauft” stehen. “

    empfinde ich Kommentare, wenn jemand herausfindet, dass ich ein Teil selbst gemacht habe: als Kompliment. Weil ich diese Komplimente als Anerkennung meines Talents verstehe (meines Talents, das iich leicht zu unterschätzen drohe). Solche Komplimente kommen aber eher selten, weil es den wenigsten überhaupt aufzufallen scheint oder sie sich vielleicht gar nicht so sehr dafür interessieren, wie ich herumlaufe oder dass mein Kuchen nicht gekauft wurde.

    Ganz besonders freue ich mich – um mal beim Kuchen zu bleiben – wenn dann noch jemand mein Rezept haben will, denn das geht runter wie Öl.

    Warum DIY einen negativen Touch haben soll, kann ich mir vielleicht so erklären, dass viele kein Verständnis dafür haben, weil ja das Angebot scheinbar so riesig ist und es deshalb für sie keinen Grund gibt, so viel Zeit und Mühe in das Selbermachen zu investieren. „Warum ein Top selber nähen? Es gibt doch so viele so günstig zu kaufen! Und es geht doch auch viel schneller“, durfte ich mir vor Jahren einmal anhören, als ich erzählte, ich hätte mir ein Oberteil genäht.

    Daß ich es aus Spaß tue, löste nur ungläubiges Kopfschütteln aus, weil diejenige das Nähen mit Arbeit und nicht mit Spaß verband. Ich könnte noch viel mehr dazu erzählen, aber dann käme ich vom Hölzchen aufs Stöckchen, und das würde dann den Rahmen dieses tollen Blogs sprengen.

    Liebe Grüße
    Ulrike

  7. Ich glaube „selbstgemacht“ hat deshalb einen negativen Charakter, weil es an schlechte grob gestrickte, zu große Pullis erinnert (zumindest bei mir weckt es diese Assoziation). Mit Geld hat das in Zeiten wo es T-Shirts gibt, die weniger als ein Knäuel Wolle, wohl kaum etwas zutun.

    Mich hat (leider?) noch nie jemand angesprochen, aber wenn ich ein Kompliment (für das Kleid an sich) kriege, dann binde ich demjenigen auch auf die Nase, dass es selbst genäht wird – ja, ich will gelobt werden!

    Ansonsten nähe ich nicht, weil ich will, dass es gekauft aussieht, sondern weil ich will, dass es toll aussieht – und da gehören halt viele Punkte dazu, die über den grob gestrickten Pulli hinausgehen. Schöne, toll verarbeitete Kleidung macht mir Freude – egal woher ich sie habe, aber beim Selbstgemachten kommt eben der Stolz nochmal dazu! 😀

  8. Ich bilde mir ein, ich kann meistens erkennen, ob Kleidung maßgeschneidert/selbst genäht oder Konfektion ist. (Bestimmt nicht immer, denn ich habe auch schon erlebt, dass jemand ein aktuell modisches Kleidungsstück 1:1 kopiert hat, und das handwerklich perfekt. Das verwundert mich dann eher – das Kleid hätte sie ja auch kaufen können. Auch in diesem Fall gilt:) Ich würde nicht danach fragen, ob ein Kleidungsstück selbst genäht ist, sondern ich würde das schöne/perfekt sitzende/ausgefallene Stück loben. Das freut doch auf jeden Fall. Und bringt niemanden in Verlegenheit. (Meine Freundinnen gehen inzwischen automatisch davon aus, dass meine neuen Kleidungsstücke selbst geschneidert sind. Da gebe ich ggf. die Kaufquelle freiwillig an, um mich nicht mit falschen Federn zu schmücken.)

    Selbst gemachte Geschenke schätze ich sehr, wenn mein Geschmack getroffen ist. Bisweilen bekomme ich wunderbar gearbeiteten Kitsch geschenkt, der sofort in die Wichtelgeschenke-Kiste wandert. Solche Dinge finde ich nicht besser wenn sie selbst gemacht als wenn sie gekauft sind. Ich freue mich dann mäßig, weil ich dann ein kleines Mitbringsel für die liebe G. habe, die so was schätzt.

    „Und eigentlich ist es ja auch paradox, dass wir zwar einerseits gerne Lob für unsere selbst gemachten Dinge bekommen, aber andererseits danach streben, sie so perfekt aussehen zu lassen, dass keiner bemerkt, dass sie selbst gemacht sind.“ – Ich glaube, das ist ein Fehlschluss.. Wenn deine Marmelade so lecker geworden ist, dass alle am Tisch sie loben – freust du dich doch, oder? Wenn du lauter Komplimente für dein tolles Kleid bekommst, das dir perfekt passt und gut steht – freust du dich doch, oder? Selbst wenn der Gourmet oder der Bewunderer gar nichts weiß von deinen DIY-Aktivitäten. Wenn meine Marmelade versalzen wäre und die Säume und Nähte meines Kleides schief, dann würden mich Komplimente eher irritieren. Und in dem Fall würde mich eine Frage, ob das selbst gemacht ist, auch eher betrüben, weil es mir die Unzulänglichkeit persönlich unter die Nase reibt – und nicht einem potentiellen unbekannten Hersteller.

    Kochen sollte weitestgehend nach DIY-Manier vonstatten gehen. Dann kann man auch mit kleinerem Budget bessere Gerichte auf den Tisch bringen. Das kostet dann etwas mehr Zeit und Arbeit. Und weil ich weiß, was in einem guten Gemüsefond drin ist, würde ich mich über solch ein Mitbringsel sehr freuen…

    Interessante Kommentare bisher.

    Lieben Gruß, Petra

  9. Wirklich spannendes Thema. War letzte Woche auch in so einer Situation: eine Nachbarin, mit der ich über Nähprojekte sprach, sagte zu meinem Oberteil: „Das hast Du auch selbstgemacht, oder?“ – und ich war stark irritiert. Erste Gedanken: „Sieht es irgendwie komisch aus? Was will sie mir damit sagen?“ Wahrscheinlich fand sie es aber nur interessant/gut, dass ich auch für mich nähe. Und wenn nicht, ist eigentlich auch egal, in der Freizeit ist es nicht so schlimm, wenn ich mal etwas schief aussehe.

    Bei dem Mantel, den ich meiner Tochter genäht habe, habe ich einige Kommentare in der Form „echt, das hast Du selbstgemacht? Hätte ich nie gedacht, sieht ja nach teurer Markenkleidung aus!“ bekommen. Das hat mich sehr gefreut – nicht, weil ich mit Kaufkleidung verglichen wurde, sondern weil das nunmal die Art von Nicht-Nähnerds ist, ihre Anerkennung auszudrücken. Und ich war zwar selbst sehr stolz auf den Mantel, aber etwas Restunsicherheit bleibt trotzdem.

    Als ich April in einer ähnlichen Situation war (wie frage ich, ob etwas selbstgenäht ist?), gab Lucy von nahtzugabe.blogspot.de den Tipp, doch einfach unwissend zu tun und „unschuldig“ nachzufragen, woher dieses tolle Kleidungsstück kommt. Ich finde diesen Ansatz sehr gut – damit umschifft man das „selbstgemacht“-Fettnäpfchen und die evt. Selbstnäherin freut sich sicher.

  10. Oh, dein Kommentar könnte genau von mir stammen, ich spreche sehr oft, bevor ich nachdenke. Aber: du hast genau gesagt, was du gedacht hast, und da es von dir ja völlig als Kompliment gedacht war, sehe ich gar nichts Negatives an dem Satz! Vor allem, da du es ja noch so gut erklärt hast.

    Deine Denkanstösse sind aber spannend, ich glaube der Bezug zum DIY hat sich in den letzten 5 Jahren stark verändert. Schon mit 14 habe ich begonnen selber Kleider u.ä. zu nähen…damals galt das noch als ein bisschen abgedroschen, was es heute nicht mehr ist. In meinem Umfeld aber – damals bis heute – wurde Selbermachen immer positiv aufgefast. Vielleicht ein wenig freakig, aber positiv. Weil etwas machen, konstruieren, kreativ sein auf jeden Fall besser ist, als nur zu konsumieren, nichts zu tun. Viele Freunde von mir nähen bzw. stricken nicht oder nur wenig und sind sich auch dessen bewusst, was für ein Aufwand das ist. Selbstgemachtes verschenken heisst auch oft, Zeit verschenken…und Zeit ist mir mehr wert als Geld.

    Und ja, das „was, das hast du selbst genäht“ ist wirklich ein schönes Kompliment! Ich bin weniger dem Streben nach Perfektion erlegen, oft erkennt man wohl auch daran Kleidung. Ich denke aber auch, dass viele Nicht-Näher Kleidung nicht so genau betrachten wie wir. Und, oft erkennt man meine selbstgenähten Kleider übrigens an den Fäden, die noch heraushängen….autsch.

  11. Das ist ja eigenartig. Ich wäre bis zum Lesen dieses Artikels nie auf die Idee gekommen, Selbstgemachtes als minderwertig zu beurteilen. Ich verstehe durchaus den Grundgedanken dahinter (man kann sich nichts Gekauftes leisten), aber der ist ja eigentlich heute in Zeiten von Primark und H&M obsolet. Im Gegenteil, wenn man nicht gerade upcycelt, dann ist der Stoffneukauf oft teurer als das Billig-T-Shirt. Bei Markenlabels ist das natürlich etwas anderes, aber das hängt natürlich davon ab, wie viel Wert man auf sowas legt (und die Leute, denen man begegnet und die selbstgemachte Kleidung kommentieren).

    Ich bewundere die, die ihre Kleidung selbst machen. Meine Nähkünste sind noch nicht allzu weit gediehen, was aber nicht an mangelndem Willen liegt, sondern daran, dass ich es mir gerade nicht leisten kann, meine streikenden zwei Nähmaschinen vernünftig überholen zu lassen. Oft sehe ich in irgendwelchen Katalogen Dinge, die mir zwar gut gefallen, an denen aber doch irgendwelche Kleinigkeiten unstimmig sind, und dann denke ich: „Das kannst Du doch selbst viel besser!“ Oder das Material passt mir nicht. Oder die Farben sind mir zu einfallslos. Oder im Netz gesammelte Eindrücke verschmelzen im Kopf zu neuen Ideen, was man alles selbst machen könnte.

    Und weil halt Selbermachen auch immer ein persönlicher Ausdruck ist, finde ich auch selbstgemachte Geschenke toll. Vorausgesetzt natürlich, sie orientieren sich am Geschmack der Beschenkten, nicht nur an dem, was der oder die Schenkende toll findet. Ich würde mir jetzt nicht unbedingt ein Moosgummi-Mobile ins Fenster hängen, auch dann nicht, wenn ich es geschenkt bekäme.

    Selbermachen ist toll. Punkt! Vielleicht sehe ich das auch deshalb uneingeschränkt so, weil ich mit meiner Großmutter aufwuchs, die alles, aber auch wirklich alles dreimal reparierte und sich dessen nicht schämte. Manchmal waren ihre Strümpfe mehr Stopfen als Strumpf. Selbst, wenn ich das in dem Ausmaß nicht machen würde (der Unterschied, 1911 oder 1976 geboren zu sein), ich habe doch gelernt, Dinge wertzuschätzen.

    Also: Lassen Sie sich bitte nicht entmutigen in Sachen Selbermachen. Es bedeutet nämlich auch ein Stück weit Macht über die Gestaltung des eigenen Lebens und Umfelds.

  12. Das ist mir auch schon selbst passiert!
    Ich war auf einem Geburtstag einer Freundin und eine andere Freundin hatte einen selbstgestrickten Schal dabei. Ich sagte: Oh, der ist selbstgemacht das sieht man!
    Und alle waren beleidigt!
    Dabei meinte ich das als Kompliment.
    Erst nachdem ich meinen Loop als selbstgemacht outete glätteten sich die Wogen wieder und alles war gut.

  13. Ich habe mich hin und wieder schon bei selbstgemachten Geschenken dabei ertappt, dass ich (fast entschuldigend) gesagt habe: „Ist nur was kleines Selbstgemachtes“. Und vermittle dadurch ja gleich noch die Idee, dass das vielleicht nicht genug sein könnte. Wenn mir so was rausrutscht, ärgere ich mich sehr über mich selbst und nehme mir fest vor, den Wert des Selbstgemachten zumindest selbst anzuerkennen.
    Bei selbstgemachten Sachen in Bezug auf Klamotten geht es mir darum, dass ich oft eine Idee im Kopf habe, was ich gerne hätte oder wie etwas aussehen soll. Ich hoffe, dass man zumindest bei der Verarbeitung nicht sofort auf selbstgemacht schließen kann, weil dann würde ich an schiefe Nähte, heraushängende Fäden oder absolut übertriebene Zusammenstellung denken – alles Dinge, die mich auch bei Kaufkleidung abschrecken würden. In den meisten Fällen habe ich nur nette Dinge zu hören bekommen. Den manchmal etwas vorwurfsvollen Ton bei Sätzen wie „Wann hast du denn Zeit für so was“ kenne ich aber auch ganz gut und versuche, ihn einfach zu ignorieren. Wenn ich selbst jemanden treffe, bei dem ich selbstgenähte Kleidung vermute, dann ist es auch so, dass ich lieber ein Lob ausspreche, wenn es mir gefällt, und meist kommt man dann ja ins Gespräch darüber. Das finde ich nämlich das Spannende, dass man dann Neues hört und Erfahrungen austauschen kann.

  14. Das ist ja seltsam. Ich kenne nur Menschen, die Selbstgemachtes zu schätzen wissen und zwar mehr als etwas, das man mal eben (als Geschenk z.B.) gekauft hat. Wenn man für jemanden etwas strickt, näht, und möglicherweise sogar noch die Lieblingsfarbe des Beschenkten verarbeitet – welcher Mensch würde das als minderwertig ansehen?

    Und Dinge, die ich selbst trage (oder besser trug, ich komme kaum noch dazu größere Kleidungsstücke zu nähen oder zu stricken), haben immer Komplimente eingebracht. Ich hatte meinem Mann mal einen Sommeranzug genäht, mit Paspeltaschen und allem PiPaPo. Damals haben alle gestaunt, was ich kann, und fanden den super.

    Und was Luzie sagte, dass sie noch nie auf die Idee kam, man könnte etwas selbermachen, weil es preiswerter ist – vielleicht liegt das an der Zeit? Eine meiner besten Freundinnen hatte nie viel Geld, aber eine Nähmaschine. Als ihre Kinder klein waren, hat sie supertolle Babyschlafsäcke aus alten Bettbezügen für ihre Kinder genäht, weil die sich immer freistrampelten und sie sich die teuren Kaufmodelle nicht leisten konnte. Sie hat mir das beigebracht und ich fand es klasse, weil man so den Reißverschluss auch auf dem Rücken anbringen konnte und die Kleinkinder sich nicht selbst auspellen konnten 😉 Sie hat Kinderkleidung für ihre vier Kinder selbst genäht oder mit bunten Sweashirtstoffen verlängert / vergrößert. Sie, weil sie sich das nicht anders leisten konnte, ich, weil mir das totalen Spaß gemacht hat. Ich vermisse unsere gemeinsamen Näh-Tage heute noch und die Komplimente, die wir für die Sachen bekamen und das: „Könnt ihr das für mich auch machen?“

    Entweder haben die Leute heute alle zu viel Geld / zu viel Markenwahn oder machen selbst selber und müssen deshalb abwerten, was andere selbermachen?

    Liebe Grüße und schönes Wochenende!
    Petra

  15. „Den manchmal etwas vorwurfsvollen Ton bei Sätzen wie ‚Wann hast du denn Zeit für so was‘?“ … den kann ich mir sehr gut vorstellen. Aber eigentlich sagt so ein Satz mehr über denjenigen aus, der ihn ausgesprochen hat, als über den, an den er gerichtet ist. Entweder sagt so etwas jemand, der überhaupt keine Freizeit mehr hat oder es ist jemand, der zwar genug Freizeit hat, diese aber mit anderen Dingen verbringt (und sei es bloß Fernsehen) – und vielleicht wünscht jemand aus der letzten Gruppe insgeheim, er wäre auch fähig, Dinge selbst zu machen.

  16. Hallo,

    ich habe letztens eine schönes Kompliment bekommen. Wir hatten sozusagen open house und ein paar Leute sind bei ihrem Rundgang im „Näh- und Sportzimmer“ gelandet. Da meinte ein Freund (!) meines Mannes: „Ich bin voll neidisch auf Leute, die so ein tolles Hobby haben“:
    Das kam spontan und hat sich echt angefühlt – Klasse!!

    Oft gibt es aber auch ein lala-Kompliment (das hört sich so an, wie Schauspieler in einer Talk-Runde, zu deren Thema sie eigentlich nichts zu sagen haben. Man ist dann betroffen – erstaunt-begeistert. Wahlweise und sehr flexibel – aber irgendwie nie echt.

    Und oft gibt es den Wunsch soetwas auch zu können, aber halt ohne sich dafür anzustrengen.

    Lieben Gruß
    Simone

  17. Wenn etwas selbstgemacht ist, verschenkt man damit seine ZEIT und meiner Meinung nach hat niemand auf dieser Welt etwas Wertvolleres zu verschenken!
    du machst ganz tolle Sachen, was ich hier so beim stöbern gesehen habe und brauchst dich nicht zu schämen/verstecken! Von dir etwas genähtes zu bekommen, ist ein Glücksfall.
    Liebe Grüße
    Nunu

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  20. Wenn ich etwas selbstgemachtes geschenkt bekomme, dann gibt es zum andächtigen „Danke schön“ noch eine herzliche Umarmung und einen Kuss. Etwas Besseres kann man nicht bekommen und das sage ich auch. Es ist einmalig und, wenn es sich noch um Eßbares handelt, viel gesünder. Eine größere Wertschätzung kann ich mir nicht vorstellen, als wenn jemand sich meinetwegen Gedanken macht, große Mühen auf sich nimmt, seine Kraft, Kreativität und Zeit hingibt für mich.
    In meinem Umfeld wird das glücklicherweise auch so gesehen. Vor allem selbstgemachte Speisen sind sehr viel höher im Kurs, eigentlich kann man Gekauftes nur mit einer sehr guten Entschuldigung, wie Krankheit o. Ä., vorsetzen und viele würden darauf dann lieber verzichten. Bei einem selbst gebackenen Kuchen greifen alle zu, da wird auch die Diät mal ausgesetzt.
    Aber ich merke doch, daß selbst Genähtes oft mit Armut gleichgesetzt wird.
    Ich selber liebe Upcycling und ärgere mich oft sehr, daß Kleidung einen so hohen Stellenwert haben muss und so viel meiner Lebenszeit in Form von Geld dafür verdienen und Suchen in Anspruch nehmen soll. Das geht mir total gegen den Strich. Lieber habe ich etwas, das schön aussieht, aber sehr wenig gekostet hat, auch wenn ich mir teure Klamotten theoretisch leisten könnte. Ich will nur einfach nicht! Keine Sorge, es sieht niemand und ich ich habe schon mehrfach gesagt bekommen, daß ich immer sehr gut angezogen bin. So geht es also auch!
    Das Beste daran ist, seine Kreativität ausleben zu können – es macht einfach riesig Spaß, aus Müll etwas schönes zu zaubern, man sollte aber besser darüber schweigen!
    Bei Upcycling ist es ja auch noch so, daß das Selbermachen nicht zu sehen ist, da viele Bestandteile, Nähte usw. ja erhalten bleiben. Neue Stoffe würde ich nicht kaufen wollen, denn das Bedeutet einfach Verschwendung (es ist erschreckend, wie viele richtig gute Sachen weggeworfen werden) und die sind ja auch noch sehr schadstoffbelastet. Mir machen halt unsere Müllberge und die Wegwerfmentalität zu schaffen.

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