Tagebuchbloggen 29.03.2020

Heute war ein doofer Tag. Aber was will man schon vor einem Tag erwarten, an dem einem 1h geklaut wird?

Es fing schon damit an, dass die kl Menschen den Frühstückstisch nicht deckten. Und weil ich es satt habe, dass ich alles immer 5x sagen muss, bis sie ihren Beitrag zu dieser kleinen Schicksalsgemeinschaft, die wir nun Mal aktuell bilden, beitragen, habe ich den Tisch nur für den Liebsten und mich gedeckt. Ich denke, die Botschaft ist angekommen.

Sonntag ist ja jetzt immer Essen vorkochen angesagt und das ist einfach für 4 Personen, die auch noch sehr eingeschränkte Essgewohnheiten, natürlich 4 sehr unterschiedlich eingeschränkte, haben, keine Sache von 1h. Aber ich belohnte mich damit, dass ich außerdem frische zimtschnecken buk.

Speaking of unterschiedliche Essgewohnheiten. Hälfte mit Pflaumenmus, Hälfte mit Zimt und Zucker.

Dann fing ich einen längeren Blogbeitrag an, zu dem ich aber ein paar Sachen, die ich weiß, aber nochmal sauber belegen möchte, recherchieren muss. Stay tuned. Irgendwann kippte die Stimmung ziemlich und wir erwachsenen sagten ein paar nicht so nette Dinge. Das war der Punkt, wo ich beschloss, dass wir wohl trotz beißend kaltem Wind eine runde spazieren marschieren sollten.

Mir fehlen Auszeiten. Kein Tag, an dem ich einfach Mal entspannt in den Tag hineinleben kann. Immer gibt es noch was zu tun. Putzen, vorkochen, Schulunterlagen ausdrucken, sortieren, etc. Und das nachdenken, informieren, dazulernen über diesen scheiß Virus ist auch extrem anstrengend. Ich kann aber auch nicht anders. Ich lerne gerade so unfassbar viel über Virologie, Makroökonomie, Massenüberwachung,…

Ein bittersüßer Abschluss des eher doofen Tages war ein Plausch mit Familie Rabe. Die auch viel Mist zu verarbeiten haben. Wir hatten uns 2020 echt anders vorgestellt, ey!

Tagebuchbloggen 25.03.2020

Der erste Tag seit 10 Tagen, wo ich das Gefühl habe „nix zu erzählen“. Es stellt sich eine Art Routine ein. Man trifft Nachbarn auf der Straße, hält Abstand, unterhält sich kurz, man fühlt sich mit ihnen verbundener als sonst.

Ich muss langsam anfangen, einen Kalender für unsere distant socializing Events anzulegen. Wir sind quasi jeden Abend mit irgendwem verabredet. Allerdings für mich erstmal ohne Wein. Ich hab den schwäbischen Weißwein, den der Liebste vor 3 Wochen von seinem Heimatbesuch mitgebracht hat, in Verdacht, komische Dinge in meinem Körper anzustellen. Seltsame gärvorgänge, die neben Bauchweh auch Schwindel und Kopfweh auslösen.

Die Klassenlehrerin des kl kl Menschen schreibt sehr persönliche Mails an ihre Schülerinnen. Und der kl kl Mensch beantwortet sie gewohnt knapp. Aber durchaus freundlich. Ein Romancier wird aus ihm aber wohl eher nicht. Gestern sollte er als Aufsatzübung eine Mindmap zu einem Bild machen. Darauf war ein Mensch und ein Außerirdischer zu sehen. Eine unlösbare Aufgabe für ihn, denn es gibt keine Außerirdischen. Case closed.

Tagebuchbloggen 24.03.2020

Ich hatte heute Urlaub. Der sich aber überhaupt nicht danach anfühlte. Ich war Aushilfslehrerin, habe Brot gebacken, Mittagessen gemacht, die Küche in akzeptablem Zustand gehalten und sehr lange an einer heiklen Mail formuliert. Geplant war das anders. Als ich den Urlaub einreichte wähnte ich die Kinder in der Schule und den Liebsten bei der Arbeit.

Aber ich stelle fest: nach so einem Tag ohne Jobverpflichtungen ist man als homeschoolende stay at home mum noch ganz fit am Abend. Kommt Erwerbsarbeit im homeoffice dazu, ist man abends platt wie ne Flunder. Hinzu kommt die permanente Sorge um so vieles. Das zehrt. Jede, die jetzt 50% ihres üblichen pensums im Job schafft, ist Superwoman!

Es ist krass, an welchen Stellen diese Krise überall offenbart, dass dieses System, dass 2019 noch von so vielen als alternativlos gesehen wurde, defizitär ist. Systemrelevante Jobs, die offenbaren, dass die gender pay gap ein riesiges Problem für unsere Gesellschaft ist. Die Kassiererin, die jetzt systemrelevant ist, aber leider nicht genug verdient, um die Familie zu ernähren. Der Mann kann aber leider nicht zu Hause die Kinder hüten, weil er die Kohle ranschafft, die die Miete zahlt. Ebenso die Krankenpflegerin, die Raumpflegerin im Altenheim, die Erzieherin, die die notbetreuung für die Kinder der Kassiererin, Krankenpflegerin und Raumpflegerin machen muss.

Ein Schulsystem, dass lächerlich hinterher hinkt bei der Digitalisierung. Während wir im Homeoffice alle eloquent videokonferieren, schicken Lehrerinnen schlecht 40 eingescannte Arbeitsblätter als jpg rum.

Ein Wirtschaftssystem, das immer mehr der neoliberalen Maxime „das regelt der Markt“ folgt. Es gibt keine ausreichende Reserve an Schutzkleidung in Krankenhäusern. Obwohl spätestens nach SARS klar war, dass eine globale Pandemie nur eine Frage der Zeit ist. Weil Krankenhäuser privatisiert sind und gewinnorientiert arbeiten müssen. Weil der Staat versäumt hat nach Ende des kalten Krieges die Gefahren durch etwas anderes als „die Soviets“ real abzusichern. Das Narkosemittel Propofol kostet aktuell das 20-fache wie sonst. Weil zigtausend intubierte covid-19 Patientinnen weltweit damit ruhiggestellt werden. Und der Markt es dann eben regelt, dass der Preis für dieses Mittel in absurde Höhen schnellt.

Ich wünsche mir, dass wir am Ende dieser Krise vieles ändern werden. Dass wir in Anbetracht der riesigen Herausforderungen des Klimawandels unsere aktuelle Art des Wirtschaftens radikal überdenken. Dieses Virus zeigt uns gerade, wie fragil dieses System ist. Und diese Krise ist banal im Vergleich dazu, was der Klimawandel für die Menschheit bedeutet. Ich hoffe, wir lernen ein bisschen was daraus.

Tagebuchbloggen 23.03.2020

Heute morgen war ich gar nicht guter Stimmung. Es ist eine seltsame Mischung aus Sorge um Menschen wie meine Schwester, die im Krankenhaus arbeitet, Sorge um Menschen, die freiberuflich arbeiten und gerade keine Einnahmen haben, Sorge darum, dass notwendige gesetzliche Schnellschüsse nicht genauso schnell korrigiert werden, wenn sich Konstruktionsfehler zeigen, Sorge darum, dass das Friedenprojekt europäische Union an diesem Virus zerbrechen wird, abstrakte Sorge um all die Menschen, die wir in ihrem Leid gerade aus den Augen verlieren. Ich weiß, dass es auch viel Anlass zur Zuversicht gibt. Verglichen mit unseren Nachbarländern wird hier sehr genau geprüft, wie drastisch die Grundrechte per Verordnung eingeschränkt werden müssen und noch immer an die freiwillige Einsicht der Bürgerinnen appelliert. Sowohl die EU als auch die Bundesregierung kippen quasi unbegrenzt Geld aus, um die schlimmsten wirtschaftlichen Sorgen akut zu mildern. Wir gehen noch immer jeden Abend gemeinsam spazieren und haben bisher noch nicht gestritten. Trotzdem quält mich sowas wie Zukunftsangst. Gar nicht so sehr direkt persönlich. Mehr so im allgemeinen.

Der kl kl Mensch hatte heute Klarinettenunterricht per WhatsApp. Das war schön. Es geht weiter, jede gibt ihr bestes, um den Job zu machen.

Es irritiert mich, wie viele Menschen irritiert sind, wenn ich sage, dass ich bestenfalls im Mai die Kinder wieder in der Schule sehe. Ich stelle mich auf nach den Sommerferien ein. Ist der Blick nach China so gefärbt, dass diese Transferleistung unmöglich ist? Denken die Menschen im Ernst, mit weniger autoritären Maßnahmen könne man diesem Virus schneller beikommen? Ich fühle mich seit vier Wochen seltsam zwiegespalten. Mir scheint, ich rede mit zwei komplett disjunkten Gruppen. Die, die ähnlich wie ich seit Wochen besorgt nach China, Süd Korea, Japan schauen, Fallzahlen beobachten, mahnen. Und die, die offenbar ein unerschütterliches Vertrauen in die Überlegenheit des Westens zu haben scheinen und die Augen davor verschließen, dass China kein Schwellenland mehr ist und dass es so einem Virus im Zweifel egal ist, welche Staatsform es heimsucht.

Die zweite Folge „Pandemie“ war ähnlich surreal wie die erste. Man fühlt sich fast wie eine Zeitreisende.

Morgen habe ich Urlaub. Resturlaub aus dem letzten Jahr. Ich werde mich morgen also intensiv um die Schulaufgaben der kl Menschen kümmern können, ohne schlechtes Gewissen, meinen Job zu vernachlässigen. Und in Ruhe kochen. Und aufräumen. Als ich diesen Urlaubstag eintrug, stellte ich mir einen gemütlichen Tag alleine zu Hause vor. Gemütlich frühstücken, Fernsehen, Handarbeiten. Verrückte Zeiten.

Tagebuchbloggen 22.03.2020

Ausgeschlafen, gefrühstückt.

Anschließend bin ich ins nähzimmer verschwunden und habe Behelf-Mund-Nasen-Schutze genäht. Eine Materialrecherche hatte ergeben, dass sich Baumwoll T-Shirts (doppellagig) oder Bettbezüge (doppellagig) am besten eignen. Also hätte ich gestern meine Jersey und Popelinereste rausgekramt und sie bei 95°C vorgewaschen. Heute hab ich sie zugeschnitten und dann 7 behelfsmasken genäht. Das zuschneiden (alles rechteckige Stücke, mit großem Lineal, nem Stück Pappe als Schablone und Rollschneider gut geeignet für Stapelverarbeitung) und bügeln der Kanteneinfassungen war schon Recht nervig. Aber richtig blöd wurde dann dass einbügeln der Falten. Das nähen an sich ist easy, aber durch die Falten dauert es dann doch bei jeder Maske einige Zeit. Für die Drahtverstärkung, um die Maske optimal an die Nase anzudrücken, habe ich diese plastikummantelte Drahtdinger verwendet, die manchmal bei Gefrierbeuteln beiliegen. Die Kantenverstärkung/Bindebänder habe ich mit einem Zickzackstich angenäht, da die Stoffstreifen dafür nicht wie Schrägband vierfach gefaltet werden, sondern nur doppelt und dadurch die Kanten unversäubert offen sind. Das hat gut geklappt und ich hoffe, das Band franst nicht zu schnell aus. Das Tragen der Masken finde ich noch arg gewöhnungsbedürftig. Aber da wir uns jetzt alle so verhalten sollten, als hätten wir covid-19, ist es wohl besser, wir schützen unsere Mitmenschen nicht nur durch Abstand halten, sondern bei notwendigen Begegnungen wie z.b. im Supermarkt auch dadurch, dass wir nicht ungehemmt Speicheltröpfchen in der Luft verteilen. Da medizinische Mund-Nase-Schutze aber aktuell knapp sind und in Krankenhäusern für die Ärztinnen und Pflegerinnen dort dringend gebraucht werden, wird empfohlen, sich solche Behelf-Mund-Nase-Schutze zu nähen. Vor ein paar Tagen noch hielt ich das für vollkommen albern, aber es scheint, dass sie tatsächlich besser als nichts sind. Wirklich großen Spaß hatte ich beim Nähen nicht, aber nun sind wir immerhin ausgerüstet. Auch wenn schon seit 2 Wochen nur noch einer von uns einkaufen geht und wir ansonsten Begegnungen mit anderen Menschen quasi auf null reduziert haben.

Außerdem war heute wieder vorkochen für die nächsten Tage angesagt. Da das Hühnerfrikassee gut ankam bei 3 von 4 Familienmitgliedern und das 4. Mitglied auch mit Reis und Erbsen happy war, gibt es das nun wieder an 2 Tagen diese Woche. Außerdem Lasagne.

Gestern habe ich mit dem gr kl Menschen zusammen die Erdkunde Aufgaben gemacht. Und festgestellt, dass ich echt noch einiges wusste über Landwirtschaft. Der gr kl Mensch macht das wirklich gut mit dem selbstlernen, aber ganz alleine ist halt doch was anderes als mit jemandem zusammen.

Die Spaziergangrunde um 5 wird sehr konsequent gemacht und es gibt quasi keinen Protest bei den kl Menschen. Sie brauchen diese 30-60 Minuten Auslauf auch. Es sind recht viele Menschen draußen unterwegs, aber eigentlich immer nur in 2er Gruppen oder Lebensgemeinschaften. Selten gibt es Probleme mit den 2 m Abstand, auch wenn überall genug Platz wäre. Aber im großen und ganzen scheint die Ansprache von Angela Merkel letzten Mittwoch auch den letzten den Ernst der Lage klar gemacht zu haben.

Ich frage mich, ob das früher geschehen wäre, wenn man ohne langes lamentieren schon vor 2 Wochen die Männer Fußball Bundesliga abgesagt hätte, statt noch an mehreren Stellen 50.000 Fußballfans ne Seuchenparty feiern zu lassen.

Eben bei Netflix eine neue Dokuserie entdeckt: Pandemie. Die ist von 2020, also wirklich erst vor kurzem erschienen. Produziert wurde sie natürlich schon vor einigen Monaten. Und das ist wirklich schräg. Da wird von einer möglichen Pandemie immer als Szenario gesprochen, was irgendwann kommen wird, aber niemand weiß genau, wann und wie. Jetzt wissen wir es. In der Doku schienen sich die Experten recht sicher zu sein, dass es eine Influenza Epidemie ähnlich der H1N1 Epidemie von 1918 sein wird. Coronaviren schien von denen jedenfalls niemand auf dem Schirm zu haben. Aber vielleicht ging’s in der ersten Folge auch einfach nur um Influenza und der SARS Ausbruch 2002/2003 kommt noch in einer anderen Folge dran. Jedenfalls ein sehr seltsames Gefühl, diese Doku zu schauen, wo von dem, wo wir jetzt mittendrin stecken, als Zukunft gesprochen wird. Klar war den Experten aber: die gesellschaftlichen Folgen werden gravierend sein. Nicht unbedingt das, was mich ruhiger schlafen lässt. Denn ich werde sowieso schon jede Nacht ein paar Mal wach, weil ich schlecht geträumt hab. Einschlafen fällt mir auch schwer, weil ich einfach einen totalen Nachrichtenoverflow habe. Aber nicht informieren ist für mich auch keine Option.

Angela Merkel hat heute eine gute Pressekonferenz gegeben zu weiteren Maßnahmen wie Ausgangsbeschränkungen und danach hat sie sich in häusliche Quarantäne begeben, weil sie Kontakt zu einem mit SARS-CoV2 Infizierten hatte. Möge sie und das Kabinett gesund bleiben. Aber bald wird klar sein: selbst Bundeskanzlerin kann man im Home Office sein. Falls noch Chefs Sorge haben, dass im Home-Office nicht gearbeitet wird.

Tagebuchbloggen 17.03.2020

Diszipliniert um kurz nach 7 aufgestanden. Gefrühstückt, und um 8:15 Uhr am Schreibtisch gesessen. Aber da waren schon alle VPN Lizenzen weg. Also auf dem Handy ne Mail an die Kollegen geschrieben, dass ich zwar nicht per lync erreichbar bin, aber per Mail und Telefon. Den Sharepoint hatte ich am Freitag mit OneDrive zum Glück schon auf meine Festplatte gespiegelt. Aber wegen ner Schulsache eh zu abgelenkt zum Arbeiten. Die kl Menschen kamen gut gelaunt zum Frühstück, trödelten ein bisschen rum, aber räumten dann doch den Tisch ab. Die Lernzeit klappte schon besser als gestern. Aber man muss beim kl kl Menschen noch immer sehr behutsam sein. Auf keinen Fall darf man seine Stimme auch nur minimal schärfen, wenn er sowieso schon kurz vorm verzweifeln ist. Das ist manchmal schwierig, wenn man eigentlich einen Gedanken zu Ende denken will, er aber eine Frage zu einer Aufgabe hat. Die Nerven sind dünn. Bei uns allen.

Die Mittagspause nutzen die anderen drei zur Entspannung, ich schrieb ein Arbeitszeugnis für die entlassene Haushaltshilfe.*

Anschließend kontrollierte ich noch Aufgaben, erklärte Potenzen und im Gegenzug erklärte der gr kl Mensch mir exponentielles Wachstum anhand von Reiskörnern auf einem Schachbrett.

Der Nachmittagsblock war konzentrationstechnisch besser. Ich konnte ein paar Sachen zuende denken, mich nochmal sortieren und hoffe, dass ich morgen etwas besser reinkomme ins Arbeiten. Ein großes Problem ist, dass ich mit dem kleinen Laptopbildschirm viel zu krumm am Tisch sitze. Ich muss mir angewöhnen, zwischendurch Gymnastik für die Schultern zu machen.

Die kl Menschen schafften die Nachmittagslernzeit fast komplett selbstständig. Aber da dürfen sie auch eine Folge Dragons auf Englisch schauen. Und auch die anschließende Stunde Pause schafften sie gut alleine.

Um 17 Uhr gingen wir wieder raus wie jeden Tag. Diesmal gingen wir in die andere Richtung und kamen an einem Kiosk/Biergarten vorbei und da wurde sich fröhlich so ganz lässig mit Handschlag begrüßt. Ich wäre fast ausgeflippt. Wegen dieser Vollpfosten müssen wir vielleicht bald auf unsere Spazierrunde verzichten, weil offensichtlich nur eine knallharte ausgangssperre funktioniert. Eigenverantwortlich handeln im Sinne der Gesellschaft ist zuviel verlangt.

Meine Mama weiß ähnliches von ihrer Arbeit, einem Landesbetrieb, zu berichten. Menschen, die die Lage ernst nehmen, so wie sie, werden verspottet. Homeoffice ist was für Faule. Eltern haben Pech, wenn die Kinder nun zu Hause allein gelassen werden mit dieser diffusen Bedrohungslage.

Nach dem Abendessen machten wir noch ein Experiment zur oberflächenaktiven Wirkung von Seife.

Danach versuchte ich, meinen schon wieder sehr verspannten rücken mit Yoga ein bisschen zu entlasten. Aber ich glaube, Yoga ist nicht so mein Ding. Mal schauen, wie ich meine drei Sporteinheiten/Woche (Rückenfit, klettern, Crosstrainer) jetzt ersetze. Das Spazierengehen versuchen wir durchaus schnellen Schrittes, aber klettern und Rückenfit muss ich irgendwie anders ersetzen.

Es wird kein Sprint, sondern ein Marathon. Und ich denke, wir alle müssen nachsichtig mit uns sein. Der Job wird leiden, die Kinder werden leiden, die Beziehung wird leiden. Wir werden sehr oft sehr erschöpft sein. Aber dann denke ich an meine Schwester und weiß, dass diese Erschöpfung nichts ist im Vergleich dazu, was ihr als Krankenhausärztin droht, wenn wir die Situation nicht unter Kontrolle halten. Für sie und all die anderen Ärztinnen und Pflegerinnen da draußen bin ich bereit, wochenlang diesen Spagat zu probieren. Denn sie sind diejenigen, die im Zweifel unvorstellbares tun und sehen werden.

* Wir waren schon länger unzufrieden, das hat nichts mit dem lockdown zu tun.

Tagebuchbloggen 16.03.2020

Puh. Dieser Tag war holprig.

Der Liebste und ich sind ganz normal aufgestanden, um um 8 anfangen zu können zu arbeiten. Der kl kl Mensch war bereits um viertel vor sieben wach. Normalerweise müssen wir ihn wochentags um Viertel nach 7 aus dem Bett schmeißen.

Der Arbeitsbeginn klappte um Viertel nach 8. Der kl kl Mensch war ein wenig verloren. Wir im Arbeitszimmer, der große Bruder schlief noch, das war ihm nicht ganz geheuer.

Der gr kl Mensch stand von selbst um viertel vor 9 auf, es bedurfte einiger Ermahnungen, dass sie frühstücken und den Tisch aufräumen sollten, bis das wirklich geschah. Aber gegen 10 waren sie wirklich an ihren Schreibtischen.

Beim gr kl mensch klappte es auch ganz okay mit den selbst gestellten Aufgaben. Der kl kl Mensch hatte sehr mit der neuen Situation zu kämpfen. Er wollte alles diskutieren, jeden Pups verhandeln. Und ich hing in einem townhall Meeting (bei dem ich Rückengymnastik machte, um nicht bereits an Tag 1 auf direktem Weg in die Migräne zu rennen). Der Liebste schaffte es aber, dass zwar widerwillig, aber doch ein bisschen was erledigt wurde. Ohne laut zu werden. Geschrien hat heute nur der kl kl Mensch. Ich bin wirklich stolz auf uns!

Um halb 1 gab’s dann Fleischküche und Kartoffelsalat, nochmal einen Pep Talk, dass es wichtig ist, dass wir alle das Beste aus der Situation machen und es wirklich eine ganz spezielle Situation ist, die wir auch noch nie erlebt haben und hoffentlich auch nie nochmal erleben werden.

Danach kontrollierte ich die Aufgaben. Der kl kl Mensch war nicht begeistert, dass ich ihn mit Korrekturen zurück an den Schreibtisch schickte, tobte und schrie, der gr kl Mensch nahm es gelassen hin und verbesserte.

Um 14 Uhr ging ich zurück an meinen Schreibtisch, der kl kl Mensch übte Klarinette, der gr kl Mensch studierte für die bioaufgabe Nährwerte auf Lebensmittelpackungen. Ich absolvierte eine Besprechung, währenddessen kam der Liebste von einem Gespräch mit den Lehrerinnen des gr kl Menschen zurück. Nachdem sie darüber gesprochen hatten, durften die kl Menschen eine Folge „Dragons“ auf Englisch schauen.

Um 17 Uhr schafften wir es tatsächlich nach draußen. Wir machten einen ausgedehnten Spaziergang über den Golfplatz und das könnte die neue Trendsportart werden in den nächsten Wochen. Hoffentlich haben die ganzen älteren Leute, die da Golf spielten, danach auf den Prosecco im Clubhaus verzichtet…

Nach der Rückkehr versuchte ich noch ein bisschen zu arbeiten, der gr kl Mensch schaute noch ein bisschen Herr der Ringe weiter, dann aßen die kl Menschen und der Liebste zu Abend, während ich versuchte, ein unterbestimmtes Gleichungssystem zu lösen.

Um 21 Uhr traf ich mich dann mit 700Sachen zum Telewein auf Zoom, wir quatschen und strickten noch eine Runde zusammen und nun muss ich dringend schlafen.

Fazit: der kl kl Mensch hat enorme Schwierigkeiten, mit der Situation klar zu kommen, er hat mehrfach bitterlich geweint und auch wild gewütet. Ich habe ein jour fix verpasst, weil Kinder in dem Moment wichtiger waren als die Besprechung, aber die Kollegen haben es locker genommen. Wir üben alle noch. Dem gr kl Mensch scheint es am leichtesten zu fallen. Auch mal schön.

Tagebuchbloggen 15.03.2020

Es war lange ruhig hier. Dafür gibt es Gründe, deren Erklärung zu weit führen würde.

Nun sitzen wir wie hunderte Millionen andere Menschen in Europa zu Hause und müssen uns auf ein komplett anderen Rhythmus und sehr andere Arten zu Arbeiten und zu Lernen einstellen.

Um das, was da in den nächsten Monaten auf uns zukommt, was das mit uns als Familie, aber auch mit mir persönlich als Mensch machen wird, zu dokumentieren, habe ich mir vorgenommen, wieder mehr in Tagebuchform zu bloggen.

Wir haben das große Glück, dass sowohl der Liebste als auch ich Jobs haben, die quasi keine physische Anwesenheit erfordern. Wir haben Laptops, wir haben VPN Tunnel und unsere Arbeit findet quasi nur in unseren Köpfen statt. Deshalb stellt uns die Schulschließung nicht vor ein existentielles Betreuungsproblem. Wie gut wir Lern- und Arbeitszeit parallel geregelt bekommen, werden wir sehen.

Alle vier von uns sind introvertiert und das empfinde ich als sehr großes Privileg. Es gibt keinen Sportverein, den wir streichen müssen, kein Orchester, keine regelmäßigen sozialen Aktivitäten. Ich gehe seit November regelmäßig klettern, das muss natürlich pausieren, aber das finde ich aushaltbar. Dafür kann ich dann wieder am virtuellen Nähkränzchen teilnehmen, das ich dem Klettern opfern musste.

Weil wir normalerweise unter der Woche alle in der Kantine/Mensa essen, müssen wir unsere Einkaufs- und Ernährungsgewohnheiten nun ein wenig anpassen. Jeden Tag kochen, neben homeschooling und Vollzeitjob macht mir etwas Angst. Also haben wir heute einen Mealprep-Tag gemacht. 2020-03-14 12.51.25

Diesen Plan haben wir am Freitag gemacht und dann eingekauft. Dieser Einkauf sah deutlich anders aus als unser sonst gewöhnliche Wocheneinkauf. Wir brauchen nun 5 Mittagsmahlzeiten für 4 Personen mehr als sonst. Das wird vielen Menschen so gehen. Andererseits werden Kantinen, Mensen und Schulcaterer aktuell deutlich weniger Essen ausgeben, also auch weniger Lebensmittel im Großhandel einkaufen. Natürlich hat das Auswirkung auf die Warenströme. Leere Regale im Einzelhandel wundern mich da überhaupt nicht und das hat nichts mit absurden Hamsterkäufen zu tun. Das ist eine gewaltige gesellschaftliche Umstellung, die da gerade innerhalb kürzester Zeit stattfindet. Was der Einzelhandel da gerade leistet, ist enorm!

Heute also dann vorkochen der etwas aufwändigeren Gerichte, die man aber auch gut 3 Tage im Kühlschrank aufbewahren kann: Fleischküchle, Kartoffelsalat, Hühnerfrikassee. Hühnersuppe haben wir noch welche eingefroren. Ein Glas selbstgekochte vegetarische Bolognese ist auch noch im Vorrat.

Außerdem haben wir einen Tagesplan gemacht. Wir haben nämlich echt ein bisschen Sorge, dass wir ohne Struktur zu chaotisch sind und überhaupt nichts geregelt bekommen.IMG_20200315_202404741_BURST000_COVER_TOP

Von beiden Schulen gab es noch keine Info, wie das Lernen und die Lernzielkontrollen in den nächsten Wochen aussehen soll. Also starten wir morgen erstmal mit selbstgestellten Aufgaben. Ich habe den Lernplan in der Grundschule bei den kl Menschen immer verflucht. Jetzt ist er erstmal ein ganz gutes Gerüst, an dem man sich vorläufig orientieren kann. Der gr kl Mensch scheint aber in den Hauptfächern an der weiterführenden Schule auch einen okayen überblick zu haben, was gerade dran ist und macht da erstmal weiter. Die Nebenfächer werden sicher in den nächsten Tagen dazu kommen.

Nach dem ganzen Kram waren wir dann noch eine Runde Fahrradfahren und spazieren. Es waren unglaublich viele Menschen in kleinen Grüppchen von max 4 Personen im Wald unterwegs. Es wäre wirklich Mist, wenn das verboten werden müsste, weil sich zu viele nicht an die Empfehlung, die Sozialkontakte radikal zu beschränken, halten können. Leider habe ich wenig Hoffnung, letzte Woche waren in Italien die Spielplätze wohl auch proppenvoll und Kinder wurden von ihren Großeltern betreut. Bitte, bleibt weg von Gruppen mit mehr als 4 Personen. Achtet darauf, dass ihr nicht ständig mit anderen Leuten rumhängt, die selbst auch wieder mit anderen rumhängen usw. Sonst sitzen wir in spätestens 3 Tagen bei wunderschönstem Frühlingswetter in der Wohnung und dürfen nicht raus. Noch fühlt sich das alles total surreal an. Aber das hier ist kein Hollywoodfilm mit Dustin Hofmann. Das hier ist real. Und die Folgen werden gravierend sein.