Tee gekocht. Beim Autofahren gestrickt. Die Füße in einen See gesteckt. Die Füße ins Meer gesteckt. Gekocht. Was über Tiefsee angehört.
Archiv für den Monat Juli 2018
Nach Island fliegen kann ja jede
Der Liebste und ich waren vor 10 Jahren auf Island. Mit dem Rucksack. Fortbewegt haben wir uns damals entweder zu Fuß oder mit dem Linienbus. Das war für 2 Endzwanziger Thirtysomethings auch eine super Sache. So toll, dass wir schon bei der Rückkehr die nächste Reise dorthin im Sommer 2009 anfingen zu planen. Wir wollten mit einer Bergführerin die Tour über den Grænafjall ins Norðurdalur machen. Wir spielten mit einem GPS Gerät herum, das auch mit Linux sinnvoll zu benutzen wäre. Im November 2008 endete das Pläne schmieden jäh. Stattdessen wurden wir in ein Abenteuer der ganz anderen Art gestürzt: Wir wurden Eltern.
Unser Sehnen nach Island ließ dadurch aber nicht nach. Und auch der gr kl Mensch schien eine enge Bindung an diesen Sehnsuchtsort zu haben, den er ja nur aus unseren Erzählungen kannte. In der Phase, wo kl Menschen imaginäre Freunde haben, da hatte er unzählige Geschwister auf Island und arbeitete irgendwas mit Containern dort.
Dann kaufte sich mein Schwager einen Defender. Und der Liebste kam auf die verrückte Idee, dass wir uns dieses Auto ja mal einen Sommer ausleihen könnten und damit nach Island fahren. Denn eins war klar: mit kl Menschen wäre es schwierig nur mit Trekkingrucksack, Minizelt und sehr eingeschränktem Speiseplan zu verreisen. Klar, man könnte hinfliegen, dort ein Auto mieten und über die Ringstraße einmal um die Insel rumfahren. Aber wie man vielleicht oben schon bemerkt hat, reizen uns die eher abgelegenen Orte auf der Insel. Die man nur mit einem ernstzunehmenden Geländewagen erreicht. Wir diskutierten verschiedene Varianten durch:
- Hinfliegen, Geländewagen mieten: wie bekommt man das familientaugliche Zelt hin? Außerdem darf man die wirklich interessanten Straßen aus versicherungstechnischen Gründen oft nicht fahren. Also man kann schon, ist halt nur doof, wenn dann was passiert. (siehe auch *)
- Den Defender vom Schwager leihen: kam nicht in Frage, da war der Schwager unmissverständlich
- Selbst einen Geländewagen kaufen.
Der Liebste beobachtete also jahrelang mobile.de auf der Suche nach einem Geländewagen Baujahr 1986 oder früher. Er erklärte mir in epischer Breite, warum es alternativlos total rational sei, einen so alten Wagen zu kaufen.* Ich wollte eigentlich nur gerne wieder nach Island. Jetzt häng ich halt mit drin.
Der Liebste hat sich informiert, hat sich von den Machern von Matsch und Piste beraten lassen, hat eine Werkstatt ausgesucht, sich dort noch weiter beraten lassen und stetig den Suchagenten bei mobile.de im Blick gehabt. Im November 2016 wurde er dann fündig: Ein Nissan Patrol 160 Station Wagon 5-Türer Baujahr 1986 erfüllte seine Sehnsucht nach legendärem japanischem Altmetall und wurde gekauft. Die Restauration dieser Autos Rostbeule ist eine ganz eigene Geschichte, die jeden nervlichen, zeitlichen und finanziellen Rahmen sprengt.
Als das Auto gekauft war, war auch ungefähr absehbar, wann wir die Reise antreten können: Sommer 2018. Da man allein für die Anreise 4 Tage einplanen muss (2 Tage bis Hirtshals, 2 Tage auf der Fähre), ebensoviele Tage für die Abreise und wir wirklich Zeit auf Island haben wollten, wenn man sowas schonmal macht, war klar, dass wir mehr oder weniger die gesamten Sommerferien weg sein wollen würden. Wie macht man das mit nur 30 Tagen Urlaub/Jahr? Ich hatte schon länger überlegt, ob ich nochmal 2-3 Monate Elternzeit nehmen sollte. Beim kl kl Mensch bin ich ja 4 Monate nach seiner Geburt wieder voll arbeiten gegangen und das war schon sehr anstrengend. Außerdem waren auch die ersten drei Schuljahre beim gr kl Mensch sehr kräftezehrend. Also besprach ich im Sommer 2017 mit meinem Chef, ob ich im Sommer 2018 in Elternzeit gehen könne. Das dritte Jahr Elternzeitanspruch kann man bis zum Ende des siebten Lebensjahres des Kindes nehmen. Mein Chef machte zwar keine Freudensprünge, war aber auch nicht dagegen. Die Personalabteilung war auch einverstanden und so wurden mir im Herbst 2017 zwei Elternzeitmonate im Juli und August 2018 genehmigt. Der Liebste schiebt seit seiner Elternzeit 2012 30 Tage Urlaub vor sich her, so dass er genügend Urlaubstage hat für unsere Reise.
Wir begannen also konkreter zu planen. Buchten die Fähre. Kauften ein familientaugliches Zelt, das sich schnell aufbauen lässt. Da wir eine Rundreise planen, ist das wichtig. Wir sind oft nur eine Nacht an einem Ort, da will man nicht 1 h lang am Abend Zelt aufbauen und 1h lang am Morgen Zelt abbauen.** Der Liebste wurde süchtig nach australischen Offroad Videos auf YouTube.
Ein erster Test sollten die Pfingstferien auf Ameland sein. Auto ausprobieren, Zelt ausprobieren, 4 Tage Nordsee genießen. Daraus wurde nur leider nix, weil die Werkstatt zwar handwerklich richtig richtig gut ist, aber eine absolute Katastrophe, was Zeitplanung von Langzeitprojekten angeht.
Wir liehen uns den Campingkocher von Familie 700Sachen und kochten die Pfingstferien über auf dem Balkon. Um Rezepte zu probieren und um zu schauen, welche Utensilien man immer in der Küche vergisst. Wir wissen also jetzt, dass One-Pot-Pasta mit Würstchen von allen gern gegessen wird, ebenso Pizza aus dem Omnia Campingbackofen. Reis mit Hackfleisch, Paprika und Tomaten ist okay (Ich fand es sehr lecker, vor allem mit einem Schuss Ketchup), Nudeln mit Käse-Sahne-Soße gehen eh immer. Wir arbeiten noch ein bisschen an der Erweiterung dieses Speiseplans. Mal schauen, ob bei sehr großem Hunger Couscous mit Nüssen und Trockenfrüchten nicht doch ginge.*** Wir werden ohne Kühlschrank verreisen, da diese Kühlboxen, die über das Autostromnetz betrieben werden können, dem Liebsten unsympathisch sind vermutlich das Gerüttel auf den F-Straßen nicht so gut mitmachen. Wir haben eine passive Kühlbox, wir müssen einfach immer irgendwelche Tiefkühlprodukte und gekühlte Getränke einkaufen und die gemeinsam mit den Sachen aus dem Kühlregal in der Kühlbox lagern. Da es auf Island in der Regel nicht so richtig heiß wird, hoffe ich, dass wir so einigermaßen klar kommen. Aber vielleicht kann man auch am Campingplatz so wie in Frankreich Kühlakkus einfrieren lassen. Wir haben aber auch Milchpulver und Volleipulver dabei. (Und ehe man sich versieht, landet man bei der Suche nach solcherlei Sachen auf Prepper-webseiten. Gruselig sag ich euch. Gru-se-lig!) Trockenfleisch als Proteinquelle scheidet leider aus, da man das nicht einführen darf. Ich komme auch gut mit Hülsenfrüchten klar, allerdings finden die kl Menschen das vollkommen inakzeptabel. Ich hoffe ja noch, dass ihnen Skyr schmeckt. Meiner Erinnerung nach schmeckte der auf Island damals wie Fruchtzwerge, ich hab da also begründete Hoffnung 🙂 Zum Frühstück wird es wohl mal Brot und mal Müsli geben. Oder Pfannkuchen. Ich mag nämlich kein Müsli, die anderen drei aber schon. Also werde ich mir dann wohl einfach einen Pfannkuchen machen, wenn die anderen Müsli essen. Dank Milch- und Volleipulver sollte das ja problemlos gehen. Oder ich kaufe so ein Pancake-Fertigmix, da muss ich dann nur schauen, wie ich den für eine Person portioniere. Tagsüber werden wir Müsliriegel, Nussmischungen, Cracker, Kekse, etc snacken. So der Plan. Lassen wir uns überraschen, wie wir uns da eingrooven.
Wir hatten eine grobe Vorstellung, was wir alles sehen wollen auf Island. Da wir mit der Fähre im Osten ankommen und wir zum eingewöhnen das etwas stabilere Wetter im Norden nutzen wollen, war klar: grobe Richtung ist gegen den Uhrzeigersinn einmal um die Insel. Dabei ist der Plan, den nördlichsten, westlichsten, südlichsten und östlichsten Punkt der Insel zu besuchen. Mal schauen, wie das so klappt. Der Liebste legte ein Textdokument an, wo er reinschrieb, was er sehen will. Ich probierte ein bisschen mit verschiedenen Reiseplanungsapps rum und wir landeten schließlich bei Google MyMaps als Planungstool. Dort legte ich verschiedene Ebenen für Campingplätze, Sehenswürdigkeiten, Wanderungen, Einkaufsmöglichkeiten und heiße Quellen an und übertrug das Textdokument in diese Karte. Dabei fiel mir auf: Reykjavik und der Golden Circle fehlten in den Plänen des Liebsten. Ich fand allerdings, dass wir den kleinen Menschen diese zugegeben sehr touristischen Orte nicht vorenthalten können. Andererseits möchte ich den kleinen Menschen auch den Reiz der Abgeschiedenheit des isländischen Hochlands näherbringen. Wir werden also einige lange Wanderungen machen, evtl sogar eine mit Übernachtung im Minizelt. Mal schauen. Aber wir haben ja diesen Geländewagen eigentlich nur auch deshalb, damit wir auch mit dem Auto abseits der Ringstraße an abgelegene Orte kommen. Die Westfjorde z.B. Oder ins Fjallabak. Trotzdem ist wandern für mich nochmal ein ganz anderes Level an Erholung. Ich bin sowieso mal gespannt, wie die kleinen Menschen das mit dem vielen Autofahren finden werden. Der kl kl Mensch leidet ja häufig unter Reisekrankheit.
Einige Leserinnen fragen sich jetzt vielleicht: Wird sie selbstgenähte Kleider tragen beim Campen in der Wildnis? Die Antwort ist: Nein. Ich habe tatsächlich Hosen gekauft. Ganz auf selbstgemachte Kleidung werde ich aber auch bei diesem Trip nicht verzichten. Ich habe den Port Charlotte Sweater von Katie Davis aus isländischer Wolle gestrickt. Und ich habe mir T-Shirts aus Merinojersey genäht. Und aus den Resten des Jerseys wurden Slips. Und für die ganz warmen Tage habe ich den Wanderlust-Rock dabei.
Wie wir das Auto für so einen Camping-Roadtrip packen erzähle ich euch dann mit dem ersten Reisebericht.
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*in Wahrheit konnte er vor sich selbst nicht zugeben, dass er einfach scharf auf so eine asoziale CO2-Schleuder ist und es mit seinem Selbstbild nur vereinbaren konnte, wenn es wenigstens ein cooler Oldtimer ist
**Der Nachteil dieses Zelts: Sein Packmaß und sein Gewicht. Auch im verpackten Zustand ist es 2 m lang, man muss es also auf jeden Fall mit dem Dachgepäckträger transportieren. Und es ist hässlich.
*** Gestern probiert: Nein, geht nicht.