Nähmaschinenerinnerungen

Im März ist meine Oma gestorben. Die, von der ich nähen lernte. Sie war selbst gelernte Schneiderin.

Nachdem mich meine Mama in die Benutzung ihrer Pfaff 209 eingeweiht hatte und ich den ein oder anderen Wickelrock genäht hatte (im Sommer 1997 waren die total angesagt), wollte ich gern ein schwarzes Abendkleid nähen. Beim Kaufen meines Abiballkleides war mir nämlich mal wieder aufgefallen, dass meine Figur nicht für Kaufkleidung gemacht ist bzw. mein Geldbeutel nicht gemacht war für die Kleider, die richtig richtig scharf an mir aussahen. Eine Schulfreundin stiftete mich an, es mal mit einem Schnittmuster aus der Burda (leider kann ich nicht mehr rekonstruieren, aus welcher Burda das Schnittmuster war) zu probieren. Da ich gerade Abitur gemacht hatte und zwar jobbte, bis ich im Oktober mein Studium begann, hatte ich trotzdem genug freie Zeit, um stundenlang mit meiner Oma in der Küche zu sitzen und meine Nähfähigkeiten deutlich auszubauen. Bei Karstadt fand ich einen wirklich tolles Wollmischgewebe zu reduziertem Preis.

Ich nahm also Mamas Nähmaschine mit zu meiner Oma und dort zeigte sie mir, wie sie Nähen gelernt hatte. Beim Anzeichnen, zuschneiden und zusammenheften (sie nannte es „reihen“) durfte ich mich nicht hinsetzen. Es musste alles von Hand gereiht werden, dann gab es eine Anprobe, sie steckte ab, dann durfte ich es zusammennähen. Sie weigerte sich strikt, mit der elektrisch angetriebenen Nähmaschine meiner Mama zu nähen. Bei frickeligen Stellen, die ihr für mich zu schwierig erschienen, nähte sie mit ihrer Pfaff 230. Die hatte allerdings keinen Motor als Antrieb sondern wurde über ein Schwungrad angetrieben.

So nähte ich also ein schlichtes schwarzes Kleid, welches ich sehr lange bei Chorkonzerten trug.

Knapp 2 Jahre später wollte ich für den Abiball meines damaligen Freundes gerne ein richtiges Abendkleid nähen. Ich hatte ein Burda-Einzelschnittmuster gesehen, welches ich sehr sehr toll fand. Auch hier kann ich leider nicht mehr rekonstruieren, welches das war. Auf jeden Fall hatte es einen assymetrischen Ausschnitt, der mit Chiffon hinterlegt war. Ebenso war ein Ärmel aus Chiffon. Dummerweise wurde ich im Stoffgeschäft schlecht beraten und ich kaufte einen viel zu steifen Stoff für dieses Kleid. Empfohlen war u.a. Samt, wenn ich mich richtig erinnere. Ich kaufte einen changierenden Taft. Mit Stoffen und Schnittmuster bewaffnet verbrachte ich ein paar Freitage bei meiner Oma und wir nähten dieses Kleid zusammen. Der Chiffon wurde mit einem Satinstich am geschwungenen Ausschnitt festgenäht. Weil das natürlich perfekt werden musste, übernahm meine Oma diese Aufgabe. Um anschließend zu konstatieren, dass ihre Maschine sowieso das schönere Stichbild habe (wo sie Recht hatte). Wir nähten also dieses Kleid, hatten bei den Ärmeln leider etwas wenig Stoff (und ich glaube mittlerweile außerdem einen zu weiten Armausschnitt). Erschwerend kam dieser steife Stoff dazu. Resultat war, dass ich die Arme in dem Kleid kaum heben konnte. Ich zog es trotzdem zu dem Abiball an (und irgendwann am Abend um, um doch noch tanzen zu können).

Danach machte ich aus Zeit-, Platz- und Geldmangel erstmal eine sehr lange Nähpause. Irgendwann kaufte ich mir dann eine günstige Supermarktmaschine, schlich um die gebrauchten Berninas im Schaufenster des Nähmaschinenladens, der in dem Haus, in dem ich wohnte war, rum und machte einen Nähkurs. Und entdeckte die Nähbloggerwelt. Und seither ists um mich geschehen. Ich holte nach wie vor Rat von meiner Oma ein. Sie war sehr stolz darauf, dass eine ihrer Enkelinnen ihr Handwerk als Hobby aufgegriffen hat und mit der Zeit erlangte ich sogar ihren Respekt für mein autodidaktisches Können. Sie selbst nähte da schon einige Zeit nicht mehr, weil ihre Augen zu schlecht geworden waren. Mich versorgte sie nach und nach mit Reststoffen, die sie noch irgendwo aufbewahrte. Irgendwann wurde ihr Allgemeinzustand immer schlechter und im März ging dann endlich ihr mittlerweile sehnlichster Wunsch in Erfüllung: Sie starb.

Und vor ein paar Wochen Monaten holte ich dann ihre Pfaff 230 hierher und nun hat sie gut verpackt einen Ehrenplatz im Esszimmer. Die Maschine ist tiptop in Ordnung, einzig das Spulergummi muss erneuert werden und der Nadeleinfädler tut nich mehr. Aber ich kann mich nicht erinnern, dass meine Oma den benutzt hat, ich vermute, der ist schon immer kaputt. Auch meine Mama kann sich an sowas abgefahrenes wie einen Nadeleinfädler nicht erinnern.

pfaff230_150621-047pfaff230_150621-007

Allerdings tue ich mich mit der Fuß-Hand-Auge Koordination noch immer schwer, was das Antreiben der Maschine per Schwungrad betrifft. Ich muss mich mega konzentrieren, was ich da mit meinen Füßen mache, sonst näht die Maschine rückwärts. Dank Youtube hab ich es aber überhaupt geschafft, die Maschine mit Muskelkraft zum laufen zu bekommen.pfaff230_150621-040

Von daher wird sie wohl leider ein reines Erinneringsstück bleiben, das nun im Esszimmer steht und als Ablage für Nähprojekte dient. Auch wenn mich ein Vintage-Sew-Along auf historischen Maschinen durchaus reizen würde. Vielleicht würde das meine Motivation, es wirklich zu lernen, mit dieser Maschine zu nähen zu lernen, deutlich steigern.

 

4 Gedanken zu „Nähmaschinenerinnerungen

  1. Das ist ein echtes Schätzchen!
    Wenn du den Motor nachrüsten lässt kannst du auch jetzt noch super drauf nähen. Zwar soll das Treten ja gut für die Venen sein, aber besser für die Nerven ist der Motor. 🙂
    (Ich nähe alles auf meiner 260, mir käme nie eine andere Maschine ins Haus. Sie war in über 50 Jahren nie kaputt und wurde nur in den 70ern von meiner Mutter mit dem Motor nachgerüstet.)

  2. Endlich habe ich ein eigenes Nähzimmer.
    Endlich konnte ich meine alte geschenkt gekommene Pfaff 138 aufstellen.
    Endlich konnte ich die Pfaff entstauben und gängig machen.
    Endlich konnte ich nähen!
    Nach fünf Minuten Nähzeit tut es einen Rappel und Schlag¡ Licht im ganzen Haus schlagartig erloschen und übelster Brandgeruch im Nähzimmer. Der Kondensator meiner geliebten Pfaff war hinüber. *schnief* Jetzt bin ich schon seit Wochen auf der Suche nach einem passenden Kondensator.
    LG Martina, die ihre Pfaff auch jetzt noch heiß und innig liebt.

  3. Pingback: Meine Nähmaschine (Bernina 560) | drehumdiebolzeningenieur

  4. Huhu, ich kämpfe gerade mit genau dieser Maschiene 🙂 Ich habe ein Manual für die 260 und auch schon im Internet nach einer Anleitung für die 230 gesucht. Leider schauen alle 230er anders aus als meine. Außer die von Dir 🙂
    Aktuell versuche ich herauszufinden, wofür das horizontale Rad (über dem Rad an dem man die Nadel links-mitte-rechts schieben kann) bedeutet. Kannst Du mir das erklären? Merci, Karl-Erwins Frau

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