Nachdem ich also am Hauptbahnhof wieder aus dem Zug ausgestiegen war, fuhr ich mit der S-Bahn zurück zur Friedrichstraße. Aus irgendeinem Grund hatte Dussmann am Sonntag Nachmittag geöffnet. Ich hatte kein konkretes Ziel, also ließ ich mich durch die Schreibwarenabteilung treiben. Und fand 2 tolle Mitbringsel für die kleinen Menschen. Ein Cyanotypieset und bedrucktes Papierfliegerpapier. Und für mich fand ich eine Notizbuchlösung, die zwar nicht wirklich kostengünstig, aber dafür hoffentlich praktikabel ist.
Dann ereilte mich plötzlich der Wunsch nach einem Cordblazer als Übergangsjacke. Und das doofe am Selbernähen ist ja, dass man solche „Ich brauch das jetzt sofort und auf der Stelle“-Gefühl selten instantan befriedigen kann. Vor allem nicht, wenn man in einer fremden Stadt unterwegs ist. Da nicht nur Dussmann, sondern auch der Kaufhof am Alex geöffnet hatte, wagte ich mich also mal wieder in die Damenbekleidungsabteilung eines Kaufhauses. Nunja, was soll ich sagen. Auch dort wurde mir der Wunsch nach einer Cordjacke oder irgendeiner blazerähnlichen Übergansjacke nicht erfüllt. Ist gerade halt nicht in Mode. Hin und wieder brauche ich solche Erlebnisse, um mir zu vergegenwärtigen, dass selbernähen gar nicht soviel Zeit in Anspruch nimmt, wie gemeinhin angenommen wird. Zum einen muss ich nicht Stunden über Stunden durch Kaufhäuser und Boutiquen streifen auf der Suche nach Kleidung, die mir passt und zum anderen muss ich nicht jahre- bzw. jahrzehntelang warten, bis ein von mir imaginiertes Kleidungsstück in Mode und somit käuflich zu erwerben ist.
Anschließend fuhr ich mit der S-Bahn zurück nach Friedrichshain um mich mit Lotti zu treffen. Wir verbrachten einen schönen Nachmittag und Abend bei ihr zu Hause, sie kochte lecker für mich und wir unterhielten uns vorzüglichst. Und ich weiß jetzt, dass mir die Jenna Cardigan steht und ich sie maximal in Größe 36 nähen sollte \o/.
Am nächsten Morgen verließ ich dann meine Unterkunft beim Freund in Friedichshain und zog um nach Neukölln in eine Berghütte. Der Hüttenpalast ist eine sehr witzige Übernachtungsidee. 3 Wohnwagen und 2 Holzhütten stehen in einer Halle im Hinterhof, Dusche und Toiletten sind wie auf einem richtigen Campingplatz Gemeinschaftseinrichtungen. Das ganze ist recht teuer, dafür, dass man kein eigenes Bad hat. Aber es ist alles deutlich sauberer und ruhiger als auf einem richtigen Campingplatz.
Nachdem ich die Hütte bezogen hatte, stellte ich fest, dass ich etwas umständlich geplant hatte. Ich wollte den freien Tag nämlich nutzen, um mir Stoff und Stil und Ninas Nähkontor mal anzuschauen. Stoff und Stil liegt in Friedrichshain, ganz in der Nähe von dort, wo ich die letzten Tage übernachtet hatte. Also fuhr ich wieder zurück nach Friedrichshain.
Stoff und Stil erinnerte mich an eine Mischung aus Dänischem Bettenlager und Ikea. Mich hat diese nüchterne Atmosphäre dort nicht zum Kaufen angeregt. Zumal ich den Maybachufermarkt am Freitag noch auf dem Plan hatte und die Preise bei Stoff und Stil nicht wirklich günstig fand.
Also machte ich einen gemütlichen Spaziergang durch den Volkspark Friedrichshain Richtung Prenzlauer Berg. Das Nähkontor ist das glatte Gegenteil von Stoff und Stil. Nina und ihre Geschäftspartnerin haben vor ein paar Jahren die Einrichtung und den Warenbestand eines alten Kurzwarenladen gekauft. Es gibt tausende und abertausende alte Knöpfe zu kaufen. Aber auch andere Kurzwaren wie Bänder, Gummis, Borten. Und auch eine kleine aber feine Stoffauswahl gibt es. Liebe Berlinerinnen, dieser Laden ist wirklich was ganz besonderes. Das Angebot an Knöpfen ist wirklich gigantisch, da bleibt kein Wunsch offen. Aber auch die Auswahl an Wäschegummi, das ich bisher vergeblich in Kurzwarengeschäften hier vor Ort suchte, ist toll! Geht dahin, kauft dort ein. Und alle Nicht-Berlinerinnen: Es gibt auch einen Onlineshop, der an Liebe zum Detail unübertroffen ist. Jeder Knopf wurde vermessen, fotografiert, kategorisiert und ausführlich beschrieben. Also investierte ich das bei Stoff und Stil nicht ausgegebene Geld sehr gerne in Knöpfe und Wäschegummi.
Anschließend fuhr ich wieder zurück nach Friedrichshain, um nun doch noch das legendäre Burgeramt auszuprobieren. Und ich muss sagen: Ja, es ist zu Recht legendär. Der Burger, den ich aß, war wirklich sehr sehr gut! Weiches, aromatisches Bun, saftiges Patty, lecker!
Und dann war meine Zeit alleine auch schon wieder vorbei, da Alexandra und Vrouwelin auch irgendwann eintrudelten.
Eigentlich wollte ich Freitag vormittag ja noch gemeinsam mit Alexandra auf den Maybachufermarkt. Aber da der Liebste dank des Bahnstreiks die ganze Woche kaum zum Arbeiten gekommen war und Freitag einen wichtigen Termin hatte, der unter normalen Bedingungen mit dem Kita-Frühlingsfest vereinbar gewesen wäre, nun aber dank doppelt so langer Bahnfahrten nicht mehr vereinbar war, erklärte ich mich zähneknirschend bereit, den Markt sausen zu lassen. Die Twitter-Nähnerd-Community war aber so nett, mir Alternativen am Donnerstag aufzuzeigen 😀
Also ließ ich am Donnerstag morgen die re:publica re:publica sein und fuhr nach Charlottenburg. Dort versteckt sich in einem Gewerbemischgebiet ganz unscheinbar ein wahres Paradies für Nähnerds. Bei Hüco gibt es auf 1200 m² Fläche Stoffe ohne Ende. Das ganze ohne viel Schnickschack präsentiert. Die Preise haben natürlich nicht Maybachufer-Niveau, aber dennoch günstiger als bei Stoff und Stil. Und die Auswahl ist gigantisch! Als ich dort war, schien auch eine Modedesignklasse oder ähnliches dort zu sein. Anders kann ich mir den extrem jungen Altersschnitt der Kundinnen nicht erklären. Und diese jungen Frauen schienen die Mitarbeiterinnen dort auch schon zu kennen.
Ich habe versucht, mich an die Ergebnisse meiner Farbberatung bei Michou zu halten und war sehr erfolgreich dabei. Einzig der Futterstoff durfte davon abweichen. (von Oben links im Uhrzeigersinn: lila Strick, lila Cord, beerenfarbene feste Viskose, braunes Futter, schwarzer Strick. In der Mitte: weißer Batist und weißer Blusenstoff mit etwas Elasthan)