Kürzlich las ich in einem Buch folgenden Satz: „Trau nie jemandem, vor allem nicht Menschen, die du bewunderst. Die werden dir die schlimmsten Stiche zufügen.“ Durch Lars Entscheidung nicht mehr leben zu wollen, habe ich nicht generell das Vertrauen in die Menschen verloren, aber es hat mir auf sehr schmerzliche Weise bewusst gemacht, dass es wohl immer Dinge in der Seele eines Menschen gibt, die er niemandem sonst zeigt, ganz egal, wie nahe man sich steht. Ich denke, wir alle hätten niemals daran gedacht, dass ausgerechnet Lars diesen Schritt machen würde. Ich habe ihm vertraut und ich habe ihn bewundert. Bewundert für seine Konsequenz, für seine Willensstärke, dafür, dass er hart gegen sich selbst sein konnte. Vertraut habe ich darauf, dass er Hilfe annimmt, wenn er sie braucht.
Im letzten Jahr habe ich immer wieder versucht zu verstehen. Und dieses „Verstehen wollen“ hat oft zu der Frage geführt, ob es irgendeinen Hinweis auf seine tiefe Verzweifelung gegeben hat. Doch diese Frage bringt uns Lars leider nicht zurück. Letztendlich hat er sich dazu entschieden, dass er sowohl auf sein engmaschiges Sicherheitsnetz als auch auf den Reserveschirm verzichten möchte. Und genau deshalb hat er wahrscheinlich niemanden in die Abgründe seiner Seele schauen lassen. Er hatte wenig Verständnis für Menschen, die mit Suizid drohen oder es „halbherzig“ versuchen, weil sie Hilfe brauchen. Wenn er Hilfe wollte, hat er dies klar und deutlich gesagt. Und dass er uns nicht gezeigt hat, dass er Hilfe braucht, weil er sie scheinbar nicht mehr wollte, scheint mir nur allzu gut in mein Bild vom „konsequenten Lars“ zu passen. Nur leider kann ich für diese Konsequenz keine Bewunderung mehr empfinden.
Und denoch bereue ich nicht, dass ich ihm vertraut und ihn bewundert habe. Denn was man ihm anvertraute, hat er vertraulich behandelt, und er war absolut loyal. Ich habe vertraut auf seine Ratschläge, auf sein klares Urteil, seine konstruktive Kritik, auf seine unbedingte Ehrlichkeit. Ich habe ihn bewundert für seinen Mut und für seine Geduld mit mir, dafür, dass er seine Hotzenplotzplatten und Asterixhefte auswendig konnte. Es gab Momente, da war ich soooo wütend auf ihn, dass er mir und all den anderen Menschen, die ihn geliebt, ihm vertraut und ihn bewundert haben,das angetan hat. Aber ich habe ihn viel zu lieb, als dass ich mich mit Wut an ihn erinnern mag und so behalte ich seine strahlend blauen Augen, sein unvergleichliches Lachen, sein weiches blondes Haar, seine dummen Sprüche, seine Asterix-Zitate und seine Liebenswürdigkeit in Erinnerung.